Mythos Menschenfresser:
Der Rote Piranha
Dem Piranha haftet ein denkbar schlechtes Image an. Durch Horrorfilme zur blutrünstigen Bestie diffamiert (ein trauriges Schicksal, das er mit dem wohl berühmt-berüchtigsten Raubfisch, dem Weißen Hai, teilt), wird meist außer Acht gelassen, dass es sich bei diesen Tieren sozusagen um die „Gesundheitspolizei Südamerikas“ handelt, da sie die Gewässer von verletzten und kranken Tieren sowie von Tierkadavern reinigen und somit maßgeblich mit verhindern, dass sich Krankheiten ausbreiten können.
Da es am Amazonas regelmäßig zu Hochwasser, verbunden mit massenhaftem Ertrinken von Haus- und Wildtieren, kommt, würden sich ohne den Aas fressenden Piranha Seuchen in Windeseile ausbreiten.
Kaum einem dürfte bekannt sein, dass es auch Piranha-Arten gibt, die sich von Früchten ernähren.
Im folgenden Text konzentriere ich mich im Wesentlichen auf den roten Piranha, da dies die Art ist, welche man am häufigsten in menschlicher Obhut antrifft.
Unter den verschiedenen Piranha-Arten ist der Rote Piranha, nach seinem Entdecker, dem österreichischen Naturforscher Johann Natterer, auch Natterer`s Sägesalmler genannt, sowohl in der Natur als auch in der Aquaristik der am weitesten Verbreitete. Er dient in seiner Heimat Südamerika unter anderem auch als Speisefisch und als Jagdobjekt für sogenannte „Sportfischer“.
Der rote Piranha verdankt seinen Namen der Färbung seiner Bauchseite (übrigens ebenfalls vergleichbar mit dem Weißen Hai), jedoch treten, bedingt durch die weitläufige Verbreitung, viele verschiedene Farbvarianten, Lokalvarietäten und Unterarten auf.
Der Aktionsradius der räuberisch lebenden Schwarmfische erstreckt sich über große Teile der südamerikanischen Süßgewässer.
Es existieren auch Populationen in Teilen der USA, diese Tiere stammen jedoch ursprünglich aus Aquarienhaltung.
Der rote Piranha besitzt einen seitlich abgeplatteten Körper und einen relativ hohen Rücken, letzteres Merkmal wird mit zunehmendem Alter immer ausgeprägter.
Die Lebenserwartung in menschlicher Obhut beträgt bei guter Pflege bis zu 30 Jahre und älter.
Er kann eine Körperlänge von ca. 30cm erreichen, wobei die weiblichen Tiere meist größer werden.
Der rote Piranha besitzt als optische Auffälligkeit über den gesamten Körper verteilt wunderschön metallisch glitzernde Schuppen, die Intensität des Glitzerns nimmt während der Paarungszeit noch zu. Die Körperunterseite ist, wie bereits oben erwähnt, rot gefärbt, bei Jungtieren ist auch die Afterflosse rot.
Überraschenderweise ernährt sich der rote Piranha nicht ausschließlich karnivor, sondern nimmt teilweise auch pflanzliche Nahrung auf, andere Fische, Aas, Insekten, Krebstiere und Mollusken stehen ebenfalls auf seiner Speisekarte.
Während Jungtiere überwiegend bei Tag auf die Jagd gehen, sind die älteren Exemplare eher dämmerungsaktiv.
Piranha-Gruppen sind hierarchisch strukturiert.
In freier Natur formiert sich der rote Piranha üblicherweise in Schwärmen von 20 bis 30 Individuen.
Als typische Lauerjäger warten sie im Schutz der Pflanzen auf potentielle Beute und greifen diese als Gruppe von hinten und/oder unten an, wobei häufig zunächst ein Piranha den Angriff mit einer plötzlichen Vorwärtsbewegung initiiert und weitere Schwarm-Mitglieder folgen.
Auch Verfolgungsjagden im offenen Wasser gehören zu den Beutefang-Techniken des Piranhas, diesen geht aber ebenfalls die Lauerstellung im Pflanzen-Versteck voraus.
Der Schwarm dient jedoch nicht ausschließlich der Optimierung des Jagderfolges, sondern bietet dem Einzeltier in erster Linie Schutz, beispielsweise vor Fressfeinden, zu denen unter Anderem Flussdelfine und Kaimane gehören.
Die Isolation von der Gruppe bedeutet für einen Piranha enormen Stress, ein Faktor, den man auch bei der Piranha-Haltung im Aquarium beachten muss.
Interessanterweise halten sich die älteren Tiere tendenziell im Innern des Schwarms auf, was ihre Überlebenschancen im Fall eines Angriffs anderer Beutegreifer beträchtlich erhöht.
Piranha-Schwärme können in einen regelrechten Fressrausch verfallen und sich dabei auch gegenseitig verletzen, eine Tatsache, die erheblich zu ihrem brutalen Image beigetragen hat.
Verkleinert sich in Trockenzeiten ihr Habitat, führt dies zu einer deutlichen Aggressivitäts-Steigerung.
Bedingt durch dieses Aggressionspotential und die Schwarmbildung kann der Piranha theoretisch eine Gefahr für den Menschen darstellen. Allerdings ist belegt, dass die absolute Mehrzahl der menschlichen Leichen, an denen Bisswunden von Piranhas festgestellt wurden, bereits vor dem Zusammentreffen tot waren, womit einmal mehr seine Funktion als „Gesundheitspolizist“ untermauert wird. Angriffe sind extrem unwahrscheinlich, Baden in Gewässern, in denen nachweislich Piranhas leben, gehören in Südamerika zur Tagesordnung.
Wenn man mit dem Gedanken spielt, den Roten Piranha als Heimtier zu pflegen, sollte man einige Dinge im Vorfeld beachten.
Zunächst muss nochmals betont werden, dass dieser Fisch mit bis zu 30 Jahren und mehr eine beachtliche Lebenserwartung besitzt.
Da Einzelhaltung dieses Schwarmfisches aus Tierschutzgründen strikt abgelehnt werden muss, ist die Entscheidung zur Piranha-Haltung quasi eine Entscheidung auf Lebenszeit.
Die Beckengröße spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Hier gilt: Je größer, desto besser! Die Haltungsempfehlungen belaufen sich meist auf mindestens 600l für 5 Fische, ich halte dies jedoch für die absolute Untergrenze. Selbstverständlich muss wie immer sorgfältig geprüft werden, ob dieses Wasservolumen mit der Statik des Aquarien-Standorts kompatibel ist.
Anders als bei der „herkömmlichen“ Aquarienbepflanzung, bei der aus optischen Gründen die höheren Pflanzen im Hintergrund und die niedrigeren Pflanzen im Vordergrund angeordnet sind, sollte ein Piranha-Aquarium über die gesamte Bodenfläche verteilt großzügige Versteckmöglichkeiten in Form von hoch wachsenden Pflanzen mit Schwimmraum ringsherum bieten.
Füttern kann man so ziemlich alles, was das Meeresfrüchte-Sortiment des Supermarktes hergibt. Bitte das Auftauen nicht vergessen! Als schnell fressende Fische können bei Fütterung tiefgekühlter Ware Magen-Darm-Probleme die Folge sein. Auf Lebendfütterung kann komplett verzichtet werden.
Es dürfte den ein oder anderen überraschen, dass Piranhas durchaus neugierige Pfleglinge sind, die bei intensivem Kontakt sogar eine Art Zutraulichkeit zu ihrer Bezugsperson entwickeln können.
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